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Manchmal braucht es nur eine einzige Entscheidung

Kathrin-Borghoff-Blog-Die-Entscheidung

Auf der Treppe vor dem Haus stelle ich fest, dass meine Schnürsenkel aufgegangen sind. Sie baumeln da lang umher und es schlägt ein Gedankenblitz ein, der mich warnt: „Achtung, du könntest stolpern!“
Es ist ein Steintreppe, acht Stufen. Die Knieverletzung ist gerade verheilt, aber jetzt auch noch nicht so lang her. Viele Jahre hatte ich mit Verletzungen der Gelenkbänder und Knochen im Sprunggelenk zu tun, auch das liegt hinter mir. Und die Hüfte, die ist heute auch endlich schmerzfrei, nach etlichen Jahren der Fürsorge.

Die Veränderung

Ich bleibe sofort stehen, setze mich auf die Stufe und binde mir den Schuh. Obwohl ich es eilig habe, obwohl ich jetzt eigentlich schon zu spät für den Termin bin. Aber ich bin älter jetzt, größer, gewachsen, vor allem aber habe ich Erfahrungen gemacht. Viele viele unzählige Erfahrungen mit Verletzungen und das hier ist meine Entscheidung:

Ich will nicht mehr.

Ich will nicht mehr der Pünktlichkeit wegen rennen und stolpern, weil ich gestresst und unkonzentriert bin. Ich will nicht mehr so schnelle Bewegungen ausführen müssen, dass ich währenddessen den Bezug zu meinem Körper verliere. Ich will nicht mehr achtlos über offene Schnürsenkel hinwegsehen und „Wird schon schief gehen“ denken, nur um mir 5 Minuten später zu beweisen, dass es tatsächlich schief geht. Ich will nicht mehr erst fallen und stolpern, mir weh tun und mich verletzen, um dann von außen zu Pause und Langsamkeit gezwungen zu werden.

Heute will ich zu spät kommen. Ich will auf Pünktlichkeit scheißen – nicht aus Disrespekt meinen Mitmenschen gegenüber, sondern aus Respekt meiner Verpeiltheit und meinem Chaos gegenüber. Ich will verstehen, dass nicht die Uhrzeit oder das pünktliche Eintreffen etwas über die Qualität aussagt, sondern die Dinge und der Zauber, den ich WÄHREND der Zeit kreiere. Ich will verstehen, dass Schnürsenkel sich manchmal lösen, damit ich kurz danach im Auto sitze und einen Text über sie schreibe, während ich dabei riskiere, tatsächlich zu spät zum nächsten Termin zu kommen. Und dass sie sich nicht nur lösen, damit ich mich verletze. So viel Unachtsamkeit liegt darunter. So viel fehlendes Bewusstsein. So viel Abwesenheit von Zugehörigkeit zu sich selbst, soooo viel Abstand zum eigenen Körper.

Ich will nicht mehr.
Nicht mehr erst fallen, um dann wieder aufstehen zu können. Nicht mehr erst auf die Fresse kriegen, um dann zur Pause gezwungen zu sein. Nicht mehr Schnürsenkel oder sonstige bremsen ignorieren, nur um dann anschließend hochtrabend spirituell von den Zeichen zu sprechen, die mir geschickt wurden und die ich ja doch 100mal ignoriert habe.

Ich will nicht mehr schlafend, dienend, gehorsam durchs Leben laufen und mich selbst dafür opfern müssen. Nee, ich will wach sein, lebendig, achtsam und in Verbindung mit mir selbst.

Worum es wirklich geht

Das Schnürsenkel binden dauert 10 Sekunden. Die Erkenntnis nur drei. Dieser Text hier 15 Minuten.
Ich nehme sie mir alle. All die Sekunden und Minuten, die sich jetzt in mir manifestieren dürfen um zu begreifen, dass es niemals um die Zeit, die Pünktlichkeit, nicht mal um den blöden Schnürsenkel geht – dafür aber immer um Verbindung. Vor allem die, zu sich selbst.

Aho.