Es ist die zweite Verletzung in 12 Monaten und: Ich hab die Schnauze voll. Ich stelle mir alle relevanten Fragen, denke darauf rum, wie das passieren konnte und was ich künftig tun kann, damit es nicht wieder passiert. Ich ärgere mich, weil ich unter nichts so sehr leide wie darunter, mich nicht bewegen zu können. Ich lege den Fuß hoch, kühle, bewege nicht, laufe auf Stützen. Sage Termine ab (zum 100.sten Mal) und übe mich in Geduld (zum 100.sten Mal).
Aber eines fällt mir auf, was anders ist als je zuvor:
Ich schimpfe nicht auf mich. Und auch nicht auf meinen Körper. Ich fühle mich nicht betrogen. Erzähle mir nicht wie dumm ich bin. Beschäme mich nicht selbst und nicht mal, weil ich es mir vornehme, sondern weil ich es wirklich nicht fühle. Ich habe nicht das Bedürfnis, mich selbst auch noch fertig zu machen. Ich nenne mich nicht Opfer der Umstände und verfalle nicht in ein lähmendes Selbstmitleid.
Diese Zeiten sind wirklich um.
„Es ist entschieden:
Hier herrscht Frieden.“
Dieser Teil eines in MEinklang®️ entstandenen Texts ist zu meinem Mantra geworden. Zu einer Affirmation, die ich spreche und die Ruhe macht. Sie sorgt dafür, dass ich nicht mehr „dagegen“ bin und ich es mir noch schwerer mache. Sie ist eine klare Entschiedenheit in den Tiefen meiner Zellen. Sie ist ein Tattoo wert, so wahr fühle ich sie.
Nein, der Kampf gegen meinen eigenen Körper ist vorbei. Das gibt’s hier nicht mehr. Nie wieder. Ich will es nicht. Will mich nicht mehr verhungern lassen, weil jemand sagt ich hätte nicht die perfekte Figur. Werde mich nicht mehr als dumm beschämen, bloß weil etwas dummes passiert ist. Ich werde mir meine Wundheilung nie mehr verbauen, weil ich mich selbst mit Festhalten und Krampfen so sehr unter Stress setze. Ich entscheide mich für Hingabe an den Prozess des Lebens – und wie ich weiß, gehören Verletzungen nun mal leider (zu meinem Leben jedenfalls) dazu. Und ich werde mich nicht zum Opfer dieses Lebens machen, werde mich nicht selbst bemitleiden und bestraft fühlen.
Nein.
„Es ist entschieden:
Hier herrscht Frieden.“
Und so lege ich in MITGEFÜHL meinen verletzten Fuß auf weiche Kissen und mute mir nur zu, was ich glaube, was er aushalten kann. Er ist hier gerade das schwächste Glied in unserer Kette und so gehe ich in seinem Tempo. Nicht mehr zu schnell, an mir vorbei, unter Druck und gegen eine Verletzung, für die wir doch beide nichts können.
Was ich eigentlich tun sollte, will ich nicht (mehr).
Ich gehe nicht in die Abwehr, die ich kenne, weil sie mir gesellschaftlich eingeredet wird, schon seit ich denken kann. Dass ich „nicht weinen“ soll, dass ich „trotzdem“ aufstehen muss, dass „es ja weitergehen“ muss, dass ich ja jetzt „nicht einfach so“ aufhören kann zu arbeiten. Vernünftig sollen wir sein, alles im Griff haben. Keine Schwäche zeigen.
Ich lasse los, von den viel zu engen Griffen eines Lebens in meinem Körper, das mich und meine Bewegung eng macht und vertraue darauf, dass mein Körper jetzt genau weiß, was zu tun ist – weil ändern kann ich es doch sowieso nicht mehr. Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und sind wir doch mal ehrlich: allein der Versuch oder der Gedanke daran – als ob das die einzige Möglichkeit wäre – fördert schon so einen Allmachtsgedanken in uns. Als ob wir am Gefüge der Zeit was drehen könnten. Als ob wir das Leben anhalten und darüber bestimmen könnten. Als ob wir wirklich so mächtig wären uns gegen das Leben selbst zu stellen.
Meine Versuche, das Leben zu kontrollieren, sind gescheitert – so viel steht fest.
Und die kläglichen Versuche einer Gesellschaft, die glaubt, nicht weinen, nicht loslassen, keine Schwäche zeigen und nicht über Schmerzen sprechen führe zu Effizienz, die auch. Doppelt und dreifach. Ich gehe nicht mehr mit der allgemeinen Meinung mit, man müsse nach Unfällen oder Verletzungen erstmal die Schuldfrage klären. „Selbst schuld“, sagen sie. Oder „Na da kannst du aber nix für“. Ich gehe mit der liebevollen AKZEPTANZ, die sieht, was es ist und es wertneutral so stehen lässt.
Ich gehe in LIEBE mit einem Körper mit, der nicht einfach ein Fleischkostüm ist, an dem ich herumschraube, herum-verändere, das ich anpassen und ständig mit etwaigen Verbesserungsvorschlägen belegen muss, um mich irgendwann in einem langen Menschenleben mal fünf Minuten wohlfühlen zu dürfen. Davon habe ich die Schnauze voll. Davon dreimal mehr, als von der Verletzung selbst.
Ich bin müde geworden davon, mich selbst anzutreiben, weil ich nicht unter Wasser groß geworden bin und stattdessen Zeit meines Lebens höre, was ich zu tun habe. Und kein einziger dieser Vorschläge war, mich selbst zu lieben. „Bleib so wie du bist“ ist nicht was ich meine. Es ist auch nicht, sich selbst so zu nehmen, wie man halt gerade ist. Nein. Das meine ich nicht.
Aber was dann?
Was ich meine ist das Gefühl von Frieden mit dem Körper, deinem Sein, das so tief geht, dass es es dir beim darüber schreiben die Tränen in die Augen treibt. Was ich meine ist, sich selbst so zu behandeln, wie du deine Kinder behandeln würdest, wenn sie die gleiche Verletzung hätten. Ich meine die Liebe, die bedingungslos ist und sich nicht in Abhängigkeit der zuvor geklärten Schuldfrage verhält. Ich meine:
„Es ist entschieden:
Hier herrscht Frieden.“
Auf diesen Satz bin ich nicht selbst gekommen. Nicht, indem ich in den Spiegel geblickt und es einfach lang genug geübt habe. Ich brauchte einen menschlichen Gegenspiegel. Das friedliche Gesicht eines anderen Menschen, die mir an diesem Abend ein Vorbild war. Wenige geschriebene und vorgelesene Worte, die mein Herz berührten und in meinem Nervensystem das Gefühl von „Zuhause“ auslösten. Ich werde vermutlich für immer dankbar und voller Wertschätzung sein für diesen Moment – aber vor allem dafür:
Letzte Woche wurde ich in der Notaufnahme eines Dortmunder Krankenhauses genäht, nachdem ich aufgrund einer 15kg-Hantelscheibe, die auf meinen Fuß gefallen war, mit dem Krankenwagen dorthin gefahren wurde. Es tat weh, es brannte und es war unangenehm. Und während ich dort – übrigens allein, weil seit Corona alles anders ist – lag, wandte ich all das an, was ich auch für meine Klientinnen anbiete: Breathwork, Berührung, Hypnose und Reiki. Es sorgte dafür, dass ich mit spitze Vitalwerten und im ventralen Vagus, also im ruhigen und emotional stabilen Nervensystem-Zustand, da durch bin und im Anschluss Zuhause die Kraft hatte, meinen Körper einzuladen, die Energie des Schocktraumas aus dem System zu lassen (ebenfalls mithilfe von Embodiment Tools, in dem Fall Zittern, Schütteln, Atmung). Ich hab das alles gemacht, wie es im Bilderbuch für den Umgang mit dem Körper nach Schocktrauma stehen würde. Und es war in jedem einzelnen Schritt gegen all das, was wir sehen und normalerweise von Menschen empfohlen bekommen. Wir empfehlen nicht zu weinen – müssen wir aber. Wir kriegen Beruhigungsmittel, wenn wir zittern – aber wir müssen zittern, weil es die Traumaenergie aus dem Körper löst. Die Assistenzärztin hat es sicher gut gemeint – doch mit ihrem Smalltalk dafür gesorgt, dass ich voll aus meiner beruhigenden, helfenden Hypnose geflogen bin. Weil: Wenn jemand beim Nähen die Augen schließt und flach atmet, muss der scheinbar direkt stabilisiert werden, um nicht abzuschmieren oder so. Hat mich nicht stabilisiert. Nur aufgeregt. Und jetzt zum Moment meines Glücks und meiner Dankbarkeit: Während ich all das tat, tat ich es für niemanden, außer für MICH. Nicht, damit die Sänitäterinnen weniger Arbeit haben. Nicht, damit die Ärzt*innen „kooperativ“ in die Akte schreiben. Nicht mal, um da schnell wieder raus zu sein.
Nur für mich.
Nur für den absolut unverrückbaren Frieden in mir.
Ich war mir wichtig.
Mein Frieden war mir wichtig.
Meine Ruhe. Dass mein Körper, mein alles da durchkommen würde. DAS war mir wichtig. DAS war, wofür ich das alles gemacht habe.
Nicht um anschließend zu erzählen, wie toll ich das gemacht habe. Sondern um MIR abschließend zu sagen, wie toll ich das gemacht habe.
Frieden.
Das ist die Basis.
Ich hätte die Fahrt im Krankenwagen damit zubringen können, den Unfallhergang zu rekonstruieren und mich zu beschämen, weil ich besser hätte zupacken können. Oder nicht aufgepasst habe. Oder aus tausend anderen Gründen verkackt habe.
Ich hätte im Krankenhaus wieder und wieder betonen können, dass es so schlimm nicht ist und mich damit selbst abwerten.
Aber hab ich nicht. Ich hab Proteinriegel gegessen und Cola getrunken, meinen Puls beobachtet und nicht aufgehört zu atmen. Ich hab geredet, wiederholt, immer wieder. Und ich hab Frieden gefühlt.
Die ganze Zeit war da:
Frieden.
Keine Verbesserungsvorschläge.
Einfach nur Frieden.
Was geholfen hat?
Tja, vermutlich die fünf Runden „Back in my Body“. Die ganz sicher.
Und das Erhalten der eigenen, inneren Sicherheit, immer wieder. Das kompromisslose Einstehen für mich selbst, um den Stress von außen und die Konflikte, die Herausforderungen zu meistern.
Und, dass ich zuvor die Erfahrung zugelassen habe, mich wirklich auf den Weg zu machen, Sicherheit in meinem eigenen Körper zu fühlen. Und das zu dem Moment zu machen, in dem ich Frieden fühle. Und diesen Moment dann ganz, ganz groß zu machen – so groß, dass er den Körper ausfüllt, ganz voll macht, jede Zelle flutet und zu meiner inneren Wahrheit wird.
Und das zu wiederholen. So oft es geht.
Es ist entschieden:
Hier herrscht Frieden.
So entschieden, dass ich es mir nicht mehr ausreden lasse. Von nichts und niemandem. Und ich empfehle dir, dich auf exakt diesen Weg zu machen. Das Leben in einem Körper, für den wir nur Defizite suchen, ist nicht friedlich. Es ist störanfällig und schwer. Den Weg zu nehmen, der dieses Leben liebevoll und lebenswert macht, der ist auch erstmal holprig, aber nach hinten raus?! Nach hinten raus wird’s gut. Krass. Schön.
Aber vor allem:
Friedlich.