Mein Stresslevel war in den letzten Wochen extrem hoch.
Ja, ich bin hochsensibel, Stress ist da mein altbekannter Begleiter.
Aber zuletzt lag es wohl eher an der Tatsache, dass mein Instagram Account gehackt wurde.
Klingt genauso mies, wie es auch war (mehr dazu hier). Du kannst dir sicher vorstellen, dass das in meinem hochsensiblen System selbsterklärend eine Menge Stress ausgelöst hat.
Doch warum sind wir Hochsensiblen besonders anfällig für Stress und wie kannst du diesem Zustand begegnen oder ihn gar vermeiden?
Genau darauf möchte ich heute genauer eingehen und dir auf einen Blick zu mehr Klarheit verhelfen.
Kurz und knackig.
Hochsensibel und gestresst?
In den letzten Jahren durfte ich viele wundervolle hochsensible Menschen begleiten. Wir sind viele und wir sind noch viel vielseitiger. Es gibt nicht den einen hochsensiblen Prototypen, der so und so ist. Hochsensibilität ist so facettenreich wie wir Menschen. Und doch ist uns zumeist eines gemein:
Wir neigen zu Stress und auch dazu, daran zu überfordern.
Du bist hochsensibel und gestresst? Fühle dich umarmt, wenn du magst.
Und lasse dir gesagt sein: Du bist nicht allein damit.
Warum das so ist?
Deshalb:
3 Gründe für Stress in deinem hochsensiblen System
Stress hat im menschlichen System nur eine einzige Aufgabe, nämlich die, uns zu einer „Leistungssteigerung“ zu zwingen. Damit ist nicht gemeint, dass du noch mehr Arbeit schaffst als eh schon, bessere Noten absahnst oder sonst irgendwelche Glanzleistungen erbringst. Sondern vor allem:
Dein Überleben.
Was hier pathetisch klingt ist der Kern der Hormone Adrenalin, Cortisol und Noradrenalin, deren Aufgabe es ist, unsere ureigenen animalischen Kräfte freizusetzen. Und sie begleiten uns schon immer!
Also, auch unsere Vorfahren, die Höhlenmenschen, hatten diese Hormone schon.
Ihre große Stärke ist es, positive Veränderungen im Körper hervorzurufen, die uns sofort auf Überlebenskampf einstellen. Wenn’s nötig ist:
- Steigern sie unseren Puls
- Beeinflussen unsere Atmung
- Erhöhen die Muskelspannung und den Blutdruck
- Regulieren alles, was mitten im Kampf nicht so wichtig ist, erstmal nach unten.
So zum Beispiel verlangsamen sich Verdauung und Durchblutung der Haut und auch das analytische, „langsame“ Denken wechselt sich mit dem instinkthaften, reflexartigen Handeln ab.
Kurzum: Stresshormone stellen extrem viel Energie zur Verfügung, die kurzfristig und schnell verfügbar ist und idealerweise genau so auch wieder abgebaut werden muss. Denn ihr Abbau erfolgt nicht von selbst. Wir brauchen Bewegung, Sport, Anspannung oder Umsetzung der Energie, damit sie es tun können. Bleibt dies aus, versteckt sich diese Energie in unseren Organen und unserem Gewebe und macht uns unter Umständen krank.
In einem hochsensiblen System kommt es vermehrt zur Ausschüttung dieser Stresshormone.
Hier stelle ich dir drei Gründe vor, die dir vielleicht in deinem Alltag schon selbst aufgefallen sind, die regelmäßig für erhöhten Stress sorgen können:
1. Grund für Stress: Sinnessensibilität
Als hochsensibler Mensch hast du ausgeprägte Sinneskanäle und das kann zu Stress in deinem hochsensiblen System führen. Denn: Deine Sinne, wie Sehen, Hören, Schmecken, etc. fühlen sich an, als läge auf ihnen ein Verstärker.
So können zum Beispiel:
- Geräusche körperliche Schmerzen auslösen
- Gerüche zu Übelkeit führen
- schnelle, sich abwechselnde, grelle Bilder für Schwindel sorgen
Deine Sinne sind extrem durchlässig für die Reize der Umwelt und genau dafür gemacht, all das so intensiv und auch früh wahrzunehmen. Und natürlich hat das einen guten Grund: Früher nämlich, als wir noch in Höhlen lebten und unser Essen selber jagen mussten, brauchten wir diese Fähigkeiten. Wir waren angewiesen auf unsere Sinne, die uns halfen zwischen giftigen und ungiftigen Beeren beispielsweise zu unterscheiden oder das Tier, das dort im Gebüsch auf seinen Angriff auf unser Lager lauerte, früh zu hören oder zu fühlen. Eben WEIL diese Feinheiten der Sinneskanäle schon immer für unser Überleben wichtig waren, sind sie noch da. Unser Gehirn reagiert noch auf die gleiche Weise, wie immer. Und auch wenn es manchmal anstrengend sein mag, so viel zu schmecken oder zu riechen, kannst du lernen, damit umzugehen.
2. Grund für Stress: Verarbeitungstiefe
Beim Blick ins hochsensible Gehirn wird klar, dass nicht nur die Sinneskanäle ausgeprägter sind und über sie auch deutlich mehr Reize aufs Gehirn eintreffen, sondern auch, dass im Vergleich zu einem nicht hochsensiblen Gehirn viel mehr verarbeitet wird. Das liegt daran, dass in den Wahrnehmungsarealen deines Gehirns eine erhöhte Konzentration an Neurotransmittern, also Botenstoffen, festgestellt werden kann. Und die wiederum sind wie kleine Postboten in deinem Kopf, die all diese eintreffenden Reize auch tatsächlich verarbeiten und weiterleiten an die weiteren Stellen.
Zusammengefasst also kommen nicht nur mehr Arbeitsaufträge im Briefkasten an, sondern landen auch auf deinem Schreibtisch mit einem dicken „Zu Verarbeiten!“-Stempel. Das erhöht die Arbeitslast in deinem Gehirn um ein Vielfaches, zumindest im Vergleich zu nicht hochsensiblen Menschen. Und ja, auch das kann zu Stress in deinem hochsensiblen System führen.
Doch es gibt auch eine positive Seite an deiner Verarbeitungstiefe, denn sie hat das Zeug dazu, dich zu einem/einer echten Experten/Expertin auf einem Gebiet zu machen. Die Verarbeitungstiefe nämlich sorgt auch dafür, dass du dich vertiefen kannst. Ins Lernen, Lesen, Verstehen, Fühlen, Beobachten… Wo hast du bemerkt, dass du viel intensiver verarbeitest als andere?
3. Grund für Stress: Neigung zur Überstimulierung
Bis hierhin könntest du nun also einfach die Reize deiner Umwelt verringern oder dich viel öfter in ein dunkles, hermetisch abgeriegeltes Zimmer begeben und von der Welt nix mehr mitkriegen, um weniger gestresst zu sein…
Könnte man meinen. Doch leider ist es damit nicht immer getan. Denn zusätzlich zu diesen Aspekten neigt dein so intensiv fühlendes Gehirn auch dazu, an der vielen Arbeit zu erschöpfen.
Viele Reize, viel Arbeit = viel Potenzial, zu überfordern.
Und das geht manchmal viel schneller, als du „Überstimulierung“ sagen kannst.
Die Neigung zur Überstimulierung ist das zentrale „Problem“ im Umgang mit Hochsensibilität und genau das, was wir im Blick behalten dürfen.
Zurück zum Briefkasten-/Schreibtisch-Beispiel: Nun liegen also stapelweise Aufträge auf deinem Schreibtisch und du hast den Arsch voll zu tun. Die Tür zum Büro aber steht offen und jede Sekunde kommt ein Postbote rein und bringt noch mehr. Wie lang dauert es wohl, bis du tränenüberströmt und völlig entmutigt den Kopf auf die Tischplatte sinken lässt und alles hinwerfen willst? Vermutlich nicht so lang.
Und manchmal ist das der Alltag eines hochsensiblen Menschen. Eigentlich schon völlig überfordert und mit viel zu viel konfrontiert und trotzdem keine Idee, wie man sich nun gegen die weiter eintreffenden Reize wehrt. Und sind wir doch mal ehrlich: Das Leben in einem dunklen Zimmer ohne soziale Kontakte zu verbringen klingt nicht erstrebenswert.
Diese drei Eigenschaften zusammengenommen sorgen dafür, dass dein hochsensibles System deutlich schneller überreizt. Du gerätst in Stress.
Doch ich habe eine gute Nachricht: Es muss nicht für immer so schwer sein.
Hochsensibel Stress begegnen – Was du tun kannst, wenn du Stress hast
Zu allererst möchte ich dich einladen, in die Beobachtung zu gehen und festzustellen, wie du in Stress reagierst.
Wirst du wütend?
Beißt du die Zähne aufeinander? Ballst du die Fäuste?
Steigst du in ein Gefühl von „Ich kloppe hier gleich alles kaputt“ ein?
Oder erstarrst du, wirst kalt, unbeweglich, müde oder angespannt?
Bemerkst du, wie du plötzlich aufhörst zu atmen oder den Nacken steif machst?
Vielleicht bemerkst du, dass du abhauen willst. Alles hinwerfen, eine Hängematte auf den Kanaren und flüchten. Du wechselst das Zimmer, entziehst dich den Gesprächen und versteckst dich am liebsten – da haben wir ihn wieder – den dunklen Raum.
Zu erkennen, wie du dich verhältst, wenn du in Stress gerätst, ist elementar, um dann mit dir umgehen zu lernen.
- Wenn du wütend wirst und rumbrüllst, dann wirst du mir wahrscheinlich gleich den Stinkfinger zeigen, wenn ich dir „Durchatmen“ vorschlage.
- Doch erstarrst du und kannst kaum noch den kleinen Finger bewegen, ist ein kleiner, bewusster Atemzug eben genau der Weg raus aus der Schockstarre.
- Bewegung zum Abbau der Stresshormone ist immer gut. Doch wenn du eh schon wegrennst und flüchtest, kann es viel hilfreicher sein, in liebevollem Hinsehen und Sicherheit einen Moment innezuhalten.
Um mit deiner Hochsensibilität arbeiten und leben zu können, braucht es Achtsamkeit.
Die Beobachtung bringt dich nämlich näher zu der Antwort auf die Frage „Was brauche ich eigentlich?“
Mit deinen Erkenntnissen kannst du beginnen, dir einen kleinen Methodenkoffer aufzubauen, der dir in den typisch stressigen Situationen (und vor allem danach) zuverlässig beim Stressabbau hilft. So holst du dir deinen Atem, deine Gedanken und das Bewusstsein für deinen Körper Stück für Stück zurück und lernst, gut in dir zuhause zu sein.
Stress nämlich ist aus dem Leben eines (hochsensiblen) Menschen nicht wegzudenken, darum geht es auch gar nicht.
Aber du kannst lernen, mit ihm ein gutes Leben zu führen und dich immer wieder selbst dabei zu unterstützen, zurück in die Ruhe zu kommen.
Beginne bei der Beobachtung und teste mal, was dir hilft, wenn’s richtig trubelig wird.
Vielleicht hast du diese Beobachtungen ja sogar schon gemacht?
Dann erzählt doch mal. Und sei ganz ehrlich, denn nichts ist bescheuerter als Methoden, die zwar artig und brav sind, aber am Ende gar nichts bringen (wieso ich darum ein Problem mit dem zu frühen Regulieren habe, erkläre ich dir dann im nächsten Blogartikel 😉 ).
Und falls du dich gerade völlig überfordert fühlst und keinen Plan hast, wo du ansetzen kannst, dann hab ich da vielleicht was für dich:
Du kannst lernen, ins Hier & Jetzt zurückzukehren, deine Gefühle zu fühlen, bis sie alle gefühlt sind, “richtig” zu atmen, langsamer zu denken und ganz und gar in deinem Körper zuhause zu sein.
In meinem Selbstlern-Kurs “Back in my body” zeige ich dir, wie das geht.
Denn: Es ist Zeit, nach Hause zu gehen!
Mache dich jetzt auf den Weg, zurück in deinen Körper.
Alles Liebe,
Kathrin